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Ahmed al-Sharaa vor der UN: Digitale Löschung als diplomatische Rehabilitierung

Ahmed al-Sharaa vor der UN: Digitale Löschung als diplomatische Rehabilitierung

UN rehabilitiert durch Vergessen: Kant rotiert im Grab

Ahmed al-Sharaa vor der UN-Vollversammlung: Vom Terrorarchiv zur Weltbühne – Strategisches Löschen und der Zusammenbruch des internationalen Gewissens Ahmed al-Sharaa, bekannt als Abu Mohammad al-Julani, sprach im September 2025 als Präsident Syriens vor der UN-Vollversammlung. Zeitgleich verschwand sein Name aus den öffentlich zugänglichen Sanktionsdatenbanken der Vereinten Nationen. Die internationale Gemeinschaft ersetzt Recht durch Schweigen – und legitimiert Terror durch Unsichtbarkeit. Eine Analyse mit tiefgreifenden Beobachtungen von Birol Kilic.

von Birol Kilic, Analysen und Beobachtungen aus Wien, 26.09.2025

Im September 2025 trat Ahmed al-Sharaa, international bekannt als Abu Mohammad al-Julani, als Präsident Syriens vor die UN-Vollversammlung. Die Szene war historisch, aber nicht heroisch. Der Mann, der einst als Kommandeur der al-Nusra-Front und später als Anführer von Hay’at Tahrir al-Sham (HTS) galt – beide von den USA, der EU, der Türkei und Japan als Terrororganisationen eingestuft – wurde nun als legitimer Staatschef empfangen. Parallel zu seiner diplomatischen Premiere verschwand sein Name aus den öffentlich zugänglichen UN-Sanktionsdatenbanken. Was als technische Panne erscheinen mag, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als strategische semantische Säuberung: Die digitale Unsichtbarkeit eines Terrorarchitekten wird zur Voraussetzung seiner internationalen Rehabilitierung.

Ahmed al-Sharaa wurde 1982 in Riad geboren, radikalisierte sich früh und schloss sich al-Qaida im Irak an. 2006 wurde er von US-Truppen in Camp Bucca inhaftiert – dem gleichen Gefängnis, in dem auch Abu Bakr al-Baghdadi festgehalten wurde. Nach seiner Freilassung gründete er die al-Nusra-Front, die später in HTS überging. Im Dezember 2024 übernahm er Damaskus militärisch, im Januar 2025 wurde er zum Interimspräsidenten erklärt. Am 24. September 2025 sprach er vor der UN-Vollversammlung, forderte die Aufhebung aller Sanktionen und präsentierte sich als Reformer. Die USA hatten HTS kurz zuvor von ihrer Terrorliste gestrichen. Al-Sharaa traf sich mit Donald Trump und David Petraeus – seinem ehemaligen Inhaftierer – und inszenierte sich als Partner des Westens.

Zur Rede von Ahmed al-Sharaa bei den Vereinten Nationen:

UN News – Rede vom 24. September 2025

 https://news.un.org/en/story/2025/09/1165940 

Al Jazeera – Analyse der UN-Rede

 https://www.aljazeera.com/news/2025/9/24/in-his-first-un-speech-syrias-al-sharaa-urges-end-to-all-sanctions 

Syria Direct – Hintergrundbericht zur UN-Teilnahme

 https://syriadirect.org/at-the-un-ahmad-al-sharaa-tells-an-unfinished-story/

Doch während die Kameras auf die UN-Bühne gerichtet waren, vollzog sich im Hintergrund ein semantischer Umsturz. Bis September 2025 war Julani unter dem Al-Qaida-Sanktionsregime der UN (Res. 1267/1989/2253) gelistet. Sein Name war über das UN-Sanktionsportal öffentlich einsehbar. Doch nun führen die offiziellen Links ins Leere:

UN-Sanktionsseite – Julani-Eintrag (nicht mehr erreichbar) 

https://sanctions.un.org/en/entity/abu-mohammed-al-jawlani 

UN-Sanktionssuche – Fehlerseite 

 https://sanctions.un.org/en/search

Die Frage stellt sich: Wurde Julani gezielt gelöscht, archiviert oder nur der öffentliche Zugriff blockiert?

Trotz der Löschung existieren weiterhin offizielle Dokumente, die Julani als sanktionierte Person führen:

Konsolidierte UN-Sanktionsliste (PDF, Stand 2025) 

 https://www.un.org/securitycouncil/sites/www.un.org.securitycouncil/files/consolidated.pdf 

UN-Pressemitteilung zur Listung von Julani (2016) 

 https://press.un.org/en/2016/sc12383.doc.htm 

US-Außenministerium – Terroristenerklärung zu Julani (2013) 

https://2009-2017.state.gov/r/pa/prs/ps/2013/05/209499.htm 

Newsweek – Rücknahme der US-Kopfgeldprämie (2025) 

https://www.newsweek.com/us-remove-bounty-syrian-leader-al-qaeda-2004650

Diese Quellen belegen: Julani war offiziell als „Specially Designated Global Terrorist“ eingestuft. Seine Vermögenswerte wurden eingefroren, Transaktionen mit ihm verboten. Die digitale Löschung widerspricht dieser Einstufung – und entzieht der Öffentlichkeit die Möglichkeit zur Kontrolle. Die semantische Rehabilitierung erfolgt nicht durch juristische Aufarbeitung, sondern durch algorithmische Unsichtbarkeit.

Ahmed al-Sharaa verkörpert die geopolitische Ambivalenz unserer Zeit. Seine Präsenz vor der UN ist nicht nur ein diplomatischer Erfolg, sondern ein Beweis für die Ersetzung von Recht durch Macht bzw Terror in allen Ebenen. Die internationale Gemeinschaft hat nicht nur vergessen – sie hat gelöscht. Was bleibt, ist ein leerer Link und ein verstummtes Gewissen.

Die UN verrät ihren Gründungsvater Kant und seine Friedensschrift: Legitimität durch Löschung

Immanuel Kant (1724–1804), der Aufklärer des Okzidents, rotiert erneut in seinem Grab in Königsberg. Denn mit seiner Friedensschrift Zum ewigen Frieden legte er die philosophischen Grundlagen jener internationalen Ordnung, aus der später die Vereinten Nationen UN hervorgingen. Eine Ordnung, die auf Rechtsstaatlichkeit, Transparenz und universeller Vernunft beruhen sollte.

Doch was bleibt von dieser Vision, wenn ein Mann wie Ahmed al-Sharaa – bekannt als Abu Mohammad al-Julani – als Präsident Syriens vor der UN spricht, während sein Name zeitgleich aus den Sanktionsdatenbanken der UN gelöscht wird? Was bleibt von Kant, wenn die Archive nicht mehr erinnern, sondern löschen? Wenn semantische Säuberung die juristische Aufarbeitung ersetzt? Kants Grab als Spiegel der Gegenwart: Terror, Schweigen, Legitimität?

Zum Fremdschämen ist nicht nur die diplomatische Bühne, sondern die epistemische Kapitulation der Institutionen, die sich einst auf Kant beriefen. Die Frage ist nicht, ob Kant sich im Grab dreht – sondern ob wir noch begreifen, warum.

Quellen: 

UN News – Offizielle Zusammenfassung der Rede:

 https://news.un.org/en/story/2025/09/1165940 

 https://www.youtube.com/watch?v=ZJ1hXwN8_wo

Birol Kilic

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