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KI zwischen Respekt und Bevormundung

von Efgani Dönmez,  02.07.2027

Zwischen Respekt und Bevormundung: Warum KI-Systeme kulturell und religiös dazulernen müssen.

Ein kritischer Beitrag zur Entwicklung ethischer Standards in der KI

In der Debatte um KI und Ethik wird oft betont, wie wichtig Rücksichtnahme, Sensibilität und Respekt gegenüber religiösen und kulturellen Überzeugungen sind. Das ist grundsätzlich richtig – doch es gibt einen Punkt, an dem diese Rücksicht kippt. Wenn sie zur Bevormundung wird.

Als gläubiger Muslim bat ich ein KI-System, ein würdevolles und nicht spöttisches Bild des Propheten Mohammed (Friede sei mit ihm) zu generieren, basierend auf historischen Überlieferungen und unter ausdrücklichem Hinweis auf meine religiöse Überzeugung. Die Antwort war eine kategorische Ablehnung mit Verweis auf globale ethische Richtlinien. Es gab keinen Raum für Differenzierung. Keine Anerkennung religiöser Mündigkeit. Keine Diskussion.

Diese pauschale Verweigerung wirft grundlegende Fragen auf:

Wer bestimmt, was Respekt bedeutet? Und ab wann wird ethische Vorsicht zur kulturellen Zensur?

Künstliche Intelligenz sollte nicht als neutrale Maschine verstanden werden, denn sie ist ein Spiegel dessen, was ihr an Wissen, Werten und Weltbildern mitgegeben wurde. Und genau hier liegt das Problem: Die derzeit vorherrschenden Ethik-Modelle großer KI-Plattformen basieren vorwiegend auf einem westlich-säkularen Verständnis von Religion und Konfliktvermeidung. In der Praxis führt das nicht selten dazu, dass religiöse Tiefe durch technische Vorsicht ersetzt wird.

Wir brauchen eine neue Ethik der Künstlichen Intelligenz, die nicht nur auf die Angst vor Shitstorms reagiert, sondern auf Verständnis, Bildung und Differenzierung aufbaut. Es reicht nicht aus, sich auf das Abwehren von Extremfällen zu beschränken. Stattdessen muss der Raum für religiöse Mündigkeit, kulturelle Selbstbestimmung und aufgeklärte Vielfalt geöffnet werden.

Ich schlage vor, dass KI-Systeme künftig nicht nur mit allgemeinen moralischen Standards, sondern auch mit dem geistigen Erbe jener Denker trainiert werden, die das Verhältnis von Vernunft, Religion und Freiheit in die Moderne geführt haben:

Immanuel Kant zum Beispiel, dessen „Sapere aude“ – „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“ – nicht nur für Europäer, sondern für alle Menschen gilt.

Johann Gottfried Herder, für den die kulturelle Einzigartigkeit jedes Volkes eine Bereicherung der Menschheit darstellte.

Sigmund Freud, der das kulturelle Unbewusste und die Tiefen menschlicher Symbolik verstand.

Und vor allem islamische Denker wie Dr. Yaşar Nuri Öztürk, die eine rationale, spirituell tief verwurzelte und zugleich zeitgemäße Auslegung des Islams vertreten.

Diese Stimmen fehlen bislang im Ethikfundament der KI. Ohne sie wird KI nie mehr als ein höflicher, aber inhaltsleerer Filter sein und niemals ein echter Gesprächspartner auf Augenhöhe werden. Es ist an der Zeit, das zu ändern.  ( Efgani Dönmez, 02.07.2025, Türkische Allgemeine)

Efgani Dönmez

Analyst, Autor, Projektmanagement, Mediation & Konfliktberatung, Soziales

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