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Was bedeutet Trumps Rachefeldzug gegen den ehemaligen FBI-Direktor?

Die demokratischen Traditionen der USA geraten ins Wanken. Wie kann ein Präsident, der der Türkei vermeintlich „Legitimität verleiht“, gleichzeitig die Legitimität des amerikanischen Staates untergraben?

von Birol Kilic, Analysen und Beobachtungen aus Wien,27.09.2025

Zuerst die Nachricht, dann die Analyse! US-Präsident Donald Trump hat ein Strafverfahren gegen den ehemaligen FBI-Direktor James Comey eingeleitet und damit eine persönliche Abrechnung in das Justizsystem getragen. Der Prozess, der fundamentale demokratische Traditionen verletzt, hat in Washington eine Debatte über „Rachejustiz“ entfacht.

Diese Nachricht betrifft die Türkei unmittelbar. Am 25. September 2025, während eines Treffens im Oval Office des Weißen Hauses, zeigte sich Trump gegenüber dem türkischen Präsidenten und AKP-Vorsitzenden Recep Tayyip Erdoğan in einer Weise, die nicht nur als diplomatischer Fauxpas, sondern als semantische Herabwürdigung des türkischen Staatsoberhauptes gewertet wurde. Trumps Haltung offenbarte zugleich ein globales Defizit an innerem Frieden und wurde als gezielte Provokation registriert.

Trumps Aussage über „manipulierte Wahlen“ („rigged election“) im Oval Office, inszeniert unter dem Deckmantel der Freundschaft, verband sich mit herablassenden Bemerkungen über Erdoğans Legitimität und verlieh dem Treffen eine dramatische Wendung. Dass Erdoğan mit bedachten Gesten in die USA gereist war, verstärkte die Wirkung dieser Entgleisung und rief eine kollektive Verantwortung hervor, die die Einheit, Stabilität und internationale Würde der Türkei betrifft.

In diesem Zusammenhang muss erkannt werden, dass Trumps Schritte zur Demontage von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit nicht auf die Innenpolitik der USA beschränkt bleiben. Vielmehr markieren sie den Beginn eines demokratischen Erosionsprozesses, der Länder wie die Türkei, die sich um ein Gleichgewicht der Gewalten bemühen, direkt betrifft. Es gilt nun, Trumps Selbstzerstörung der eigenen Legitimität anhand der jüngsten Skandale in den USA zu analysieren – und die daraus resultierenden Schäden für die Vereinigten Staaten, die globalen Auswirkungen und die demokratische Struktur der Türkei gemeinsam zu bewerten.

Was ist geschehen? „Offensichtlich strafverfolgung aus Rachegründen“

Die Strafverfolgung gegen den ehemaligen FBI-Direktor James Comey wird nicht nur als persönliche Abrechnung gewertet, sondern als systematische Herausforderung der Grundprinzipien des amerikanischen Rechtssystems. Trumps offene Einmischung in juristische Prozesse untergräbt das Prinzip der Gewaltenteilung und bringt das Land an den Rand einer politischen Spaltung.

Comey war als Architekt der Russland-Ermittlungen von 2016 in Trumps Visier geraten und wurde 2017 entlassen. Die Strafverfolgung gegen ihn wurde von Lindsey Halligan eingeleitet – einer ehemaligen Versicherungsanwältin ohne strafrechtliche Erfahrung, die Trump aus früheren Schönheitswettbewerben kennt. Die zuständige Staatsanwaltschaft hatte die Vorwürfe mangels Beweisen abgelehnt, doch unter Trumps Druck trat der verantwortliche Staatsanwalt zurück. Halligan ignorierte Warnungen von Kollegen und reichte die Klage persönlich in Alexandria ein.

Lindsey Halligan (36), Trump’ın önceki güzellik yarışmalarından tanıdığı, ceza kovuşturması konusunda hiçbir deneyimi olmayan eski bir sigorta avukatı, Kaynak: J. Martin

 

Die Anklagepunkte – unter anderem Falschaussage und Behinderung der Justiz – wurden unter dem Deckmantel einer „geheimen Untersuchung“ behandelt. Kritiker wie Trumps ehemaliger Anwalt Ty Cobb bezeichneten das Verfahren als „rachsüchtig und selektiv“. Senatorin Elizabeth Warren warnte: „Das Justizsystem zur Bestrafung politischer Gegner zu nutzen, ist die Methode von Diktatoren. Heute ist es Comey, morgen kann es jeder sein.“ Comey selbst erklärte in einer Videobotschaft: „Angst ist das Werkzeug eines Tyrannen. Aber ich habe keine Angst. Ich bin unschuldig. Lasst uns diesen Prozess führen.“

Analyse: Rachsüchtiger Angriff auf demokratische Traditionen

Trumps Vorgehen gegen Comey ist nicht bloß eine persönliche Fehde, sondern ein direkter Angriff auf die verfassungsmäßigen Gleichgewichte, die Amerika zu Amerika machen.

Das System der „checks and balances“ wurde faktisch außer Kraft gesetzt; die Exekutive hat die Unabhängigkeit der Justiz in ein Instrument persönlicher Vergeltung verwandelt und damit die demokratischen Traditionen der USA  ins Wanken geraten.

Trumps Handeln offenbart, dass es ihm weder um die Interessen des Staates noch um jene seiner Bürgerinnen und Bürger geht, sondern um die Ausweitung seiner persönlichen Machtsphäre und die gezielte Bestrafung früherer Gegner.

Die amerikanische Demokratie erweist sich als fragil – leicht erschütterbar durch persönliche Motive. Die unparteiische Justiz, eine tragende Säule der US-Demokratie, wurde zur Bühne politischer Abrechnung gemacht; der Rechtsstaat wurde durch unerfahrene, loyal ausgewählte Akteure diskreditiert. Trumps Rachefeldzug richtet sich nicht nur gegen Comey, sondern gegen die gesamte demokratische Tradition. Es handelt sich nicht um ein Verfahren, sondern um einen Regimetest.Er droht offen, sämtliche Konkurrenten und Kritiker mithilfe der Justiz zu verfolgen. Damit gefährdet er die seit über einem Jahrhundert bestehende demokratische Ordnung der Vereinigten Staaten und beschwört zugleich die Möglichkeit eines innerstaatlichen Konflikts herauf. Dies darf nicht hingenommen werden. Die noch halbwegs funktionierende Demokratie und die relative Unabhängigkeit der Justiz in den USA sind nicht nur für das Land selbst, sondern für die globale Ordnung von entscheidender Bedeutung. Andernfalls droht dieses gefährliche System der Willkür und Repression zu einem Exportprodukt zu werden – ein Modell, das autoritäre Regime weltweit legitimiert und demokratische Grundlagen systematisch untergräbt.

Schäden für die USA: Systematische Erosion der demokratischen Struktur

Trumps Überführung politischer Konflikte in das Justizsystem stellt eine mehrschichtige Bedrohung für die Gründungsprinzipien der Vereinigten Staaten dar:

– Eingriff in die Gewaltenteilung

– Diskreditierung der Justizunabhängigkeit

– Erosion demokratischer Traditionen

– Vertiefung gesellschaftlicher Polarisierung

– Verlust internationaler Glaubwürdigkeit

Diese Schäden betreffen nicht nur die aktuelle Präsidentschaft, sondern haben das Potenzial, die verfassungsmäßige Kontinuität und das demokratische Gedächtnis der USA dauerhaft zu beeinträchtigen.

Globale Auswirkungen: Legitimation autoritärer Regime, demokratische Erosion in der EU

Trumps Vorgehen wirkt direkt auf das globale demokratische Gleichgewicht:

– Legitimation autoritärer Regime

– Export des US-Modells als willkürliche Herrschaftsform

– Erosion des Vertrauens in internationales Recht

– Schäden für die EU durch Normalisierung rechtspopulistischer Praktiken

– Normativer Verfall der transatlantischen Allianz

Schäden für die Türkei: Erosion demokratischer Normen und Legitimierung willkürlicher Justiz

Trumps Beispiel wirkt direkt auf die Türkei:

– Normalisierung juristischer Willkür

– Schwächung der Gewaltenteilung

– Legitimation politisch motivierter Strafverfahren

– Rückgang des Demokratieverständnisses

– Entwertung internationaler Kontrollmechanismen

– Schwächung der Zivilgesellschaft

Trump exportiert autoritäre Pragmatik

Trump zerstört nicht nur die Rechtsordnung seines Landes, sondern verbreitet ein Modell, das autoritäre Regime legitimiert, Repression normalisiert und demokratische Grundlagen weltweit untergräbt. Es handelt sich um einen Regimetest, einen ethischen Zusammenbruch und einen verfassungsrechtlichen Alarm.

Lösungsansätze: Demokratisches Gedächtnis erneuern und Rechtsstaatlichkeit wiederherstellen

– Verfassungsrechtliche Absicherung der Justizunabhängigkeit

– Internationale Kontrolle politischer Strafverfahren

– Institutionalisierung demokratischer Traditionen

– Stärkung der Zivilgesellschaft

– Entpolitisierung von Medien- und Archivprotokollen

– Aufbau einer globalen demokratischen Koalition

– Sondernotiz für die Türkei: Eine neue juristische Sprache – gegründet auf verfassungsrechtlicher Loyalität und öffentlichem Gewissen

Charakterfrage: Integrität, Tugend und Kompetenz

Diese bescheidenen Vorschläge sind nicht bloß technische Eingriffe, sondern ein Appell an das Gewissen unserer Zeit, an das verfassungsrechtliche Gedächtnis und an die demokratische Verantwortung – insbesondere in der Türkei. Der Regimetest kann nur durch eine kollektive ethische und moralische Mobilisierung bestanden werden. Diese Mobilisierung ist nur mit integren, tugendhaften und kompetenten Persönlichkeiten möglich. Solche Menschen dürfen nicht nur gesucht, sondern bewusst ausgewählt, zur Verantwortung gerufen und in die vordersten Reihen des öffentlichen Gewissens gestellt werden. Denn demokratischer Widerstand lässt sich nur mit charakterfesten, moralisch verantwortungsvollen und verfassungsloyalen Kadern institutionalisieren. Andernfalls wird der Zusammenbruch des Systems nicht nur technisch, sondern als historischer moralischer Bankrott in die Archive eingehen.

Andreas Günes

Redaktion, Türkische Allgemeine

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Andreas Günes

Redaktion, Türkische Allgemeine
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