BRÜSSEL, 30.11.2025-Der Europäische Journalistenverband (AEJ) hat die gegen den türkischen Journalisten Fatih Altaylı verhängte Freiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monaten scharf kritisiert und als „schweren Angriff auf die Pressefreiheit“ sowie als „politisch motivierte Entscheidung“ bezeichnet. Die Organisation mit Sitz in Brüssel und Niederlassungen in zahlreichen europäischen Ländern veröffentlichte am 26. November 2025 eine entsprechende Stellungnahme auf ihrer offiziellen Website.
Das Urteil
Der AEJ erklärte, das Urteil der Strafkammer des türkischen Kassationsgerichtshofs sei ein gefährlicher Höhepunkt systematischer Bemühungen, kritische Stimmen in der Türkei zum Schweigen zu bringen. In der englischsprachigen Pressemitteilung hob der Verband hervor, dass es sich um eine „politisch motivierte Entscheidung“ handle.
Der Fall Altaylı
Fatih Altaylı, Kolumnist und Betreiber eines YouTube‑Kanals mit mehr als 1,6 Millionen Abonnenten und insgesamt über 300 Millionen Aufrufen, wurde wegen einer Äußerung in einer Live‑Sendung zu vier Jahren und zwei Monaten Haft verurteilt. Türkische Behörden werteten die Aussage als „Drohung“ gegenüber Präsident Erdoğan. Juristen betonten hingegen, dass diese Worte keine rechtmäßige Grundlage für eine Festnahme oder eine langjährige Haftstrafe darstellten. Altaylı war am 21. Juni 2025 festgenommen worden, nachdem ein Ausschnitt der Sendung in sozialen Netzwerken große Verbreitung gefunden hatte.
Unabhängige Medien im Visier in der Türkei
Der AEJ stellte fest, dass Altaylı trotz seiner Inhaftierung weiterhin Sendungen über seinen YouTube‑Kanal ausstrahlt und oppositionelle Journalisten zu Wort kommen lässt. Dies zeige die zentrale Rolle freier Medien für die demokratische Debatte und verdeutliche zugleich, dass die verhängte Strafe genau diesen Bereich ins Visier nehme.
Forderungen des Verbandes AEJ
Der Verband forderte die sofortige Freilassung Altaylıs und die Einstellung aller Verfahren gegen ihn. Journalisten müssten das Recht haben, Regierungsvertreter und politische Entscheidungen ohne die Gefahr einer Gefängnisstrafe kritisieren zu können. Der AEJ rief zudem dazu auf, die sich verschlechternde Lage der Pressefreiheit in der Türkei international stärker zu beachten und die Verantwortlichen, die die Justiz als Waffe gegen unabhängigen Journalismus einsetzen, zur Rechenschaft zu ziehen.
Die anderen internationalen Reaktionen
• International Federation of Journalists (IFJ – Internationale Journalisten‑Föderation): „Die Verurteilung von Fatih Altaylı ist ein weiterer alarmierender Schritt in Richtung Einschränkung der Pressefreiheit. Wir fordern seine sofortige Freilassung.“
• International Press Institute (IPI – Internationales Presse‑Institut): „Die Inhaftierung zeigt, wie kritische politische Kommentare kriminalisiert werden.“
• South East Europe Media Organisation (SEEMO – Südosteuropäische Medienorganisation): „Ein klarer Versuch, unabhängige Stimmen zum Schweigen zu bringen.“
• Reporter ohne Grenzen (RSF – Reporters sans frontières): „Teil einer systematischen Kampagne gegen unabhängige Medien.“
• Committee to Protect Journalists (CPJ) – Komitee zum Schutz von Journalisten): „Ein Einschüchterungsinstrument gegen die gesamte unabhängige Presse.“
Pressefreiheit als Grundpfeiler
In seiner Erklärung betonte der AEJ, dass Pressefreiheit ein Grundpfeiler der Demokratie sei. „Wenn Journalisten wegen politischer Kommentare jahrelang Gefängnis riskieren, steht die Demokratie selbst unter Angriff“, hieß es. Die internationale Gemeinschaft dürfe nicht schweigen, wenn Journalisten in der Türkei allein wegen der Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung inhaftiert würden. Der Verband bekräftigte seine Solidarität mit Fatih Altaylı und allen türkischen Journalisten, die unter zunehmend repressiven Bedingungen arbeiten.
Weitere Repressionen
Das Urteil gegen Altaylı ist nach Einschätzung des AEJ nur ein Beispiel für den anhaltenden Trend wachsender Repressionen. Der Verband verwies auf ein weiteres Verfahren vom 13. Oktober 2025, bei dem Staatsanwälte in Istanbul gegen 20 Personen, darunter die Journalistin Fatoş Erdoğan, Anklage erhoben. Unter Berufung auf Artikel 214 des türkischen Strafgesetzbuchs wird ihnen „öffentliche Aufforderung zu Straftaten“ vorgeworfen, was mit bis zu fünf Jahren Haft geahndet werden kann. Die Vorwürfe stehen im Zusammenhang mit Protesten gegen eine Gerichtsentscheidung, die die Führung der größten Oppositionspartei CHP absetzte und durch ein Übergangsgremium ersetzte.
Aufruf an die Behörden
Der AEJ forderte die türkischen Behörden auf, den Druck auf unabhängige Journalisten sofort zu beenden und auf die lange Liste systematischer Bedrohungen und Angriffe zu reagieren, die auf der Plattform für Journalistensicherheit des Europarats dokumentiert sind.
AEJ
Der Europäische Journalistenverband (AEJ) wurde 1961 in San Remo gegründet und ist eine internationale Journalistenorganisation, die sich für die Pressefreiheit in ganz Europa einsetzt. Nach offiziellen Angaben ist die AEJ heute in 25 europäischen Ländern aktiv und zählt rund 2.500 Mitglieder.
Das Hauptziel der AEJ besteht darin, die Pressefreiheit in Europa und weltweit zu schützen, die unabhängige Arbeit von Journalistinnen und Journalisten zu gewährleisten und demokratische Werte zu verteidigen. Darüber hinaus unterstützt der Verband die europäische Integration, fördert die Zusammenarbeit zwischen Journalistinnen und Journalisten und trägt dazu bei, europäische Themen besser verständlich zu machen.
Die AEJ gilt als eines der einflussreichsten internationalen Netzwerke im Bereich der Pressefreiheit in Europa. Dank ihrer Beziehungen zur UNESCO und zum Europarat bietet sie eine starke internationale Plattform gegen den Druck auf Journalistinnen und Journalisten. ( Türkische Allgemeine, 30.11.2025)
Quellen:
AEJ Condemns Four-Year Prison Sentence for Turkish Journalist Fatih Altaylı
AEJ Condemns Four-Year Prison Sentence for Turkish Journalist Fatih Altaylı





