SPÖ-Schwergewicht Ludwig: "Ich ziehe meinen Hut vor Erdogan, er nimmt 4 Millionen Flüchtlinge auf".

Am 19. Juni 2023 trafen sich im Wiener Rathaus ( “Roter Salon”) Mitglieder des 1945 gegründeten Verbandes der Auslandspresse in Wien “Foreign Press Association in Vienna” mit dem Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ).

Türkische Allgemeine, Wien, Originalbericht war Türkisch,  20.06.2023

WIEN. Die Mitglieder der “Foreign Press Association in Vienna”, der fast 100 namhafte Medienagenturen, Zeitungen und Fernsehsender aus aller Welt angehören, stellten Michael Ludwig, dem starken Namen der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) und Wiener Bürgermeister, Fragen zu nationalen und internationalen Themen.

Ludwig erläuterte die jüngsten präsidialen Entwicklungen in der Sozialistischen Partei Österreichs, der Gegenstand bzw. Fragen der internationalen Weltpresse waren, nahm Stellung zum neu gewählten SPÖ-Vorsitzenden Andreas Babler, das Leben in Wien, die Wiederwahl Wiens zur lebenswertesten Stadt der Welt und die Arbeit der Gemeinde Wien, Roter Salon und Karl Lueger und insbesondere in den Bereichen Wohnungsbau, Verkehr und Klima. Ludwig beantwortete auch Zwischenfragen bezüglich der Türkei, zu AKP Obmann und Präsident Erdogan, zur Einwanderung und zur Integration von Einwanderern in Wien.

(c)TürkischeAllgemeine

Fragen zur Türkei und zu türkischen Einwanderern in Wien

Ludwig kritisierte das Treffen von Österreichs christdemokratischem Kanzler Karl Nehammer von der ÖVP mit der rechtspopulistischen und rechtsextremen italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni an diesem Wochenende. Ludwig wies darauf hin, dass dieser Besuch de facto als Werbung und Salonfähigmachung für die populistische italienische Politikerin Meloni organisiert wurde. Während seiner Rede fragte ein Vertreter einer wichtigen Schweizer Zeitung  “Aber Herr Ludwig, Sie waren doch letztes Jahr auch bei Erdogan und haben ihn besucht. Ist er nicht auch ein Rechter? Ist das nicht ein Widerspruch?” Auf die Frage bezüglich  seinem Besuch bei Erdogan im letzten Jahr, der aufgrund der Verwirrung vor dem Besuch öffentlich zu Diskussionen führte, antwortete Ludwig auf diese unerwartete Frage: “Ich ziehe meinen Hut vor Erdogan, er nimmt 4 Millionen Flüchtlinge auf” und fügte hinzu: “Ja, ich habe Erdogan vor ÖVP-Chef Nehammer und Außenminister Schallenberg besucht. Sie haben ihn auch gleich nach mir getroffen. Ich war in meiner Eigenschaft als Präsident der österreichischen Gemeinden nach Istanbul gereist, um an einer Sitzung in der Türkei teilzunehmen. Ich habe Erdogan freiwillig getroffen. Ich sehe hier kein Problem: Erdogan nimmt 4 Millionen Flüchtlinge in der Türkei auf. Was machen andere Länder? Genau das Gegenteil. Ich ziehe meinen Hut vor Erdogan, er nimmt 4 Millionen Flüchtlinge in der Türkei auf.”

Info

Was ist vor einem Jahr 2022 geschehen?

Der türkische Botschafter in Wien Ozan Ceyhun  hatte Ludwigs Besuch bei Erdogan am 10. Juni 2022 bereits eine Woche zuvor, am 4. Juni 2022, gegenüber der Presse ( Die Presse) unerwünscht und aus freien Willen  angekündigt, was umgehend für Aufregung sorgte, Ludwig in eine schwierige Situation zwischen dem 4. Juni 2022 und dem 10. Juni 2022 brachte und scharfe Kritik von der österreichischen Presse und der Opposition hervorrief.

Die Presse am 4. Juni 2022 veröffentlichte Nachricht erzeugte Wirbel

Laut Botschafter Ozan Ceyhun Bürgermeister Ludwig bei Erdogan

Der türkische Botschafter in Wien, Ozan Ceyhun, erklärte unerwünscht am 4. Juni 2022 gegenüber der “Presse”, dass ein Treffen zwischen dem Wiener Bürgermeister Ludwig und Präsident Erdogan geplant sei, es hat aber keine Bestätigung seitens der Stadt Wien bzw. Ludwigs Büro gegeben. Der Botschafter der Republik Türkei in Wien, Ozan Ceyhun, teilte der Presse am 4. Juni 2022 in einem Exklusivinterview ( Die Presse) mit, dass der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) am 10. Juni 2022 vom türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan empfangen werde. Ozan Ceyhun sagte, das türkische Außenministerium habe ihn darüber informiert. Bemerkenswert war, dass der Wiener Bürgermeister Ludwig die Reise am 10. Juni nicht sofort am Tag der Veröffentlichung der Nachricht in der “Presse” am 4. Juni 2022 bestätigt hat. Botschafter Ceyhun begann sich im Bericht zu fragen, ob sich Michael Ludwig durch die Tatsache, dass ein solcher Termin ohne seine [Ludwigs] Zustimmung zustande  gekommen war, nicht in einer schwierigen Situation befinde. Der Kontakt kam offenbar  laut Botschafter Ceyhun in dem die Presse Bericht über die Regierungspartei AKP zustande. Der Bürgermeister Büro lehnte es ab, die Reise weder am 4.6.2022  noch bis 10.06.2022 zu bestätigen. Auf Nachfrage der “Presse” an Ludwigs Büro hieß es, es seien keine Flüge in die Türkei gebucht worden. Ludwigs Sprecher sagte lediglich, es habe ein Treffen mit dem Präsidenten der Union der türkischen Städte gegeben.  Später hatte Ludwig am 10. Juni 2022 ein Treffen mit Erdogan in Istanbul. (  Info-Ende, Siehe Quellen)

SPÖ Wien zieht in Wiener Bezirk für Arbeiter und Migranten

1903, Arbeiterheim Favoriten, Wienbibliothek im Rathaus, Tagblattarchiv: Fotosammlung, TF-999213

Das seinerzeitige Arbeiterheim Favoriten (10., Laxenburger Straße 8-10) wurde
1901 / 1902 (Eröffnung 7. September 1902) laut Archiven für den Verein „Arbeiterheim in Favoriten” (Gründung des Vereins am 23. Mai 1896) erbaut. Es sollte den Mangel an geeigneten Vereins- und Versammlungsräumen beheben.

Ludwig wurde auch die folgende Frage gestellt: “Die SPÖ Wien übersiedelt ab 2026 von ihrer repräsentativen Zentrale in Wien I, wo sie seit 1945 ihren Sitz hat, in die Löwengrube und damit den schwierigen 10. Wiener Bezirk-Arbeiterheim Favoriten, einen Arbeiter- und Migrantenbezirk, in dem sowohl neue AsylwerberInnen als auch AusländerInnen leben, die schon seit fast 60 Jahren dort wohnen. Der 10. Wiener Gemeindebezirk Favoriten ist der bevölkerungsreichste der 23 Bezirke der Bundeshauptstadt. Aber es gibt immer wieder negative Nachrichten über das Zusammenleben und die Integration sowie harsche Äußerungen von rechtsgerichteten österreichischen Parteien und konservativen Christen. Warum ziehen Sie in diesen Bezirk? In Favoriten gibt es viele Probleme, über die in der Presse berichtet wurde. Mit neu angekommenen AsylbewerberInnen, einheimischen ÖsterreicherInnen und alteingesessenen EinwanderInnen, die seit 60 Jahren hier ansässig sind und als GastarbeiterInnen gekommen sind, ist dies kein einfacher Bezirk. Welche Botschaft haben Sie für die alteingesessenen Zuwanderer mit oder ohne Wahlrecht?”

Ludwig antwortete wie folgt:

“Ich persönlich bin sehr stolz auf die Zuwanderer, die sich in Wien niedergelassen haben und wir können sehen, dass sie auch in allen Bereichen des Lebens in Wien ihren Dienst tun und in Harmonie leben. Es wäre falsch, alle FPÖ-Mitglieder als Rechtsextremisten zu bezeichnen. Diese Stimmen kamen [auch] von anderen Parteien, auch von unserer eigenen, und von unzufriedenen Menschen. Diese Stimmen müssen wir zurückgewinnen. Unser Gang in den 10. Wiener Gemeindebezirk sollte als eine Rückkehr in den Bezirk verstanden werden, aus dem wir eigentlich als SPÖ Wien stammen. Die Wiener Landespartei könne sich keinen besseren und für die Sozialdemokratie bedeutenderen Nachfolgestandort wünschen Der 10. Wiener Gemeindebezirk entstand, als der Gründer der Sozialdemokratischen Partei Österreichs, Dr. Victor Adler, der selbst Arzt war, sich für die Rechte von Arbeitern und damaligen Migranten einsetzte. Adler interessierte sich für die Gesundheit der Arbeiterinnen und Arbeiter, egal welche Abstammung sie haben, im 10. Wiener Gemeindebezirk Favoriten, der Hauptstadt der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, in der Stadt Wien, und vor allem in den Ziegelfabriken. Dr. Adler reklamierte kürzere Arbeitszeiten und gesündere Bedingungen für die ArbeiterInnen und führte auch selbst Behandlungen durch. Favoriten war damals berühmt für seine Ziegelfabriken. Die ArbeiterInnen waren nicht-deutschsprachige Arbeitskräfte aus dem österreichisch-ungarischen Imperium, vor allem aus dem Gebiet des heutigen Tschechiens und der heutigen Slowakei { die Arbeiter kamen aus Böhmen, Mähren und Nordungarn}. Sie wurden ausgebeutet. Dr. Adler, der Gründer der Sozialdemokratischen Partei Österreichs, diente diesen Arbeitern zunächst als Arzt und wollte ihnen eine Stimme geben, wurde aber entlassen. Victor Adler sagte: “Ich kämpfe für die Arbeiter und Arbeiterinnen hier, aber von nun an kämpfe ich für die ganze Gesellschaft, für Gerechtigkeit, Menschlichkeit und vor allem soziale Gerechtigkeit.” Und so gründete er von diesem Bezirk Favoriten aus unsere Partei SPÖ. Jetzt kehren wir zurück in den Arbeiter- und Migrantenbezirk Favoriten, wo wir gegründet wurden. Das  “Rote Haus” in der Laxenburger Straße im 10. Bezirk gilt als wichtigster Veranstaltungsort der Sozialdemokratie in der ersten Republik. Viktor Adler führte die Partei zum ersten mal an diesem Ort  namens ” Rote Haus” zusammen. Es wäre schwierig und teuer gewesen, unsere Zentrale in der Löwelstraße in der Innenstadt wieder zu modernisieren. Stattdessen ist die Wiener SPÖ in die modernisierten Büroräumlichkeiten des Arbeiterwohnheims übersiedelt und wird dort auch in Zukunft bleiben.”

In Beantwortung verschiedener Fragen ging
Ludwig  auch auf folgende Themen ein:

Andreas Babler

– Ich freue mich, dass Andreas Babler zum neuen SPÖ-Vorsitzenden gewählt wurde und natürlich unterstützen wir ihn. Aber nicht alles, was Babler sagt, deckt sich mit dem, was die Gedanken der Wiener SPÖ oder meine Gedanken sind.

ÖGB

– Es ist kein Zufall, dass unser Freund Wolfgang Katzian, Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, zum Präsidenten des Europäischen Gewerkschaftsbundes gewählt wurde. Denn in Wien, in Österreich, in Europa und gerade in Wien sind die Rechte der ArbeitnehmerInnen und der BeamtInnen mit Kollektivverträgen von den Gewerkschaften mit einem hohen Prozentsatz von 98 Prozent abgesichert worden.

MA35

– Nicht wir machen die Gesetze, das machen die österreichische Regierung und das Parlament. Die MA35, die Magistratsabteilung der Stadt Wien, die für AusländerInnen, Verlängerung und Staatsbürgerschaft zuständig ist, vollzieht nur die Gesetze. Und mit diesen Gesetzen sind wir nicht zufrieden. Denn die Bevölkerung der Stadt wächst, aber die Zahl der Wahlberechtigten nimmt nicht zu, sondern sogar ab. Das muss sich ändern. Menschen, die voll integriert sind, sollten Bürger werden, aber in dieser Hinsicht gibt es Probleme. Damit eine Person Bürger werden kann, muss sie beispielsweise nach Abzug aller Ausgaben wie Miete, Strom, Kredite usw. von ihrem Gehalt 1.100 Euro netto für sich selbst übrighaben. Das ist nicht einfach.

Stadt Wien

– Wien, das viele wichtige internationale Organisationen wie die OPEC, die UNO und die OSZE beherbergt, hat seit 1996 Kooperationsabkommen mit vielen Städten abgeschlossen.

– Die Bevölkerung Wiens ist seit 1989 um 400.000 Menschen gewachsen und zählt nun mehr als 2 Millionen Einwohner. Ein großer Teil dieses Anstiegs ist auf die Zuwanderung zurückzuführen. Die Zahl der Wahlberechtigten in Wien hat sich jedoch nicht erhöht. Das liegt daran, dass die Parteien ÖVP und FPÖ den Zuwanderern die Einbürgerung erschwert haben. Deshalb wird Wien künftig einen Abgeordneten weniger in die Gruppe der Senatoren im österreichischen Parlament, den Bundesrat, entsenden. Dieser Abgeordnete verließ die FPÖ – Treppenwitz der Geschichte.

– Wien expandiert und ist weltberühmt für seine mietpreiskontrollierten Stadthäuser. Die Seestadt Aspern ist ein neues funktionales und soziales Wohnzentrum, dass wir entwickelt haben, als ich Wiener Stadtentwicklungs- und Immobilienminister war. Wir wurden kritisiert, als wir damals die Infrastruktur, die Straßenbahn und die U-Bahn dorthin gebracht haben. Jetzt zeigt sich, wie richtig wir lagen. Unser Vorzeigeprojekt, die Nordbahn-Nordstation, ist bekannt und erfolgreich. Wien ist heute eine der Städte der Welt, die klimatisch, sozial und funktional die beste Lebensqualität bieten. Selbst der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck spricht jetzt über unsere CO2-reduzierenden und klimaschonenden Projekte in Simmering und sagt: “Machen wir es wie in Wien und wirb sogar in Deutschland”.

Ukraine

– Die Zuwanderer aus der Ukraine wurden in Wien auf schnellstem Wege in die Gesellschaft integriert, vor allem in Kindergärten, Volks- und Hauptschulen. 4.500 Kinder wurden rasch in Schulen untergebracht. Viele ukrainische Asylwerber hatten Wien bereits verlassen, zum Beispiel nach Portugal, wo es bereits ukrainische Verwandte und Gemeinden gab. (Türkische Allgemeine, Wien,  Originalbericht war Türkisch, Birol Kilic, 20.06.2023)

Quellen:

https://www.wien.gv.at/kontakte/stadtregierung/buergermeister.html

https://www.spoe.wien/

https://auslandspresse.at/

https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20230517_OTS0029/verband-der-auslandspresse-in-wien-mit-neuem-webauftritt

https://www.diepresse.com/6148628/buergermeister-ludwig-bei-erdogan

https://www.diepresse.com/5819699/eklat-um-tuerkischen-botschafter-in-oesterreich-wegen-aeusserung-ueber-christen

https://kurier.at/chronik/oesterreich/wiens-buergermeister-michael-ludwig-traf-tuerkischen-praesidenten-erdogan/402038163

https://www.tuerkische-allgemeine.de/2023/06/22/erdogan-euch-ist-die-hosenschnur-heruntergerutscht-ihr-seid-lgbt/

https://www.wien.gv.at/verwaltung/rathaus/fuehrung/online/rotersalon.html

https://de.wikipedia.org/wiki/Victor_Adler

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Arbeiterheim_Favoriten

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