„Warum radikalisieren sich junge Österreicherinnen und Österreicher bosnischer und albanischer Herkunft in Österreich?
WIEN.Nach Angaben der Frankfurter und der Süddeutschen Zeitung schoss in München ein junger Mann gegen 9.15 Uhr in der Nähe des NS-Dokumentationszentrums auf Polizisten. Diese töteten den Angreifer.
Der Schütze war den österreichischen Behörden als mutmaßlicher Islamist bekannt. Laut Polizei handelt es sich bei dem toten Verdächtigen um einen österreichischen Staatsbürger aus Salzburg Land. Das Innenministerium in Wien bestätigte entsprechende Medienberichte. Der 18-Jährige sei wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung angezeigt worden. Weitere Details wollte ein Sprecher nicht nennen.
Die Nachrichtenagentur APA berichtete von IS-Propagandamaterial auf dem Handy des Mannes in erheblichen Mengen. In einem Computerspiel, das sich über soziale Kanäle unter IS-Sympathisanten verbreitet haben soll, sollen Tötungsszenarien der Terror-Miliz nachgestellt worden sein. Auf die Handy-Inhalte sollen die Strafverfolgungsbehörden aufmerksam geworden sein, nachdem der Jugendliche an seiner Schule gewalttätig gegen Mitschüler vorgegangen sein soll. Im Zuge dieser Ermittlungen soll sein Handy sichergestellt und ausgewertet worden sein.
Birol Kilic, Obmann der Türkischen Kulturgemeinde in Österreich (TKG), antwortet auf die Frage “Warum radikalisieren sich junge Österreicherinnen und Österreicher bosnischer und albanischer Herkunft in Österreich? ” wie folgt:
„BosnierInnen und AlbanerInnen leben seit Generationen in der Türkei, zusammen mit allen Schichten der Gesellschaft sind mehr als 5 Millionen türkische StaatsbürgerInnen und meist moderne säkulare Muslime.
Auch in der Türkei gibt es IS-ähnliche, salafistisch-vahabistisch beeinflusste Terroristen mit Hunderten von Toten. Die Türkei hat große Probleme mit IS und ähnlichen Terroristen mit steigender Tendenz die die AK Regierung leider mit falscher Politik verursacht hat und sogar im Nachbarland Syrien-Idlip Region vor der Grenze ein de facto IS Staat entstanden. Unter den Anhängern und Terroristen des IS gibt es de facto keine oder kaum wahrnehmbare türkische Staatsbürger bosnischer oder albanischer Abstammung in der Türkei. Warum ist das in Österreich und Europa anders?
Tatsächlich sind dies alles Ergebnisse der Projekte der wahhabitisch-salafistischen Bewegungen aus Saudi-Arabien in Bosnien, Mazedonien, Kosovo und anderen Balkanländern, die durch die Verbreitung des wahhabitischen Salafismus in der Balkanregion nach 1980 und die anschließende Politisierung und Vermischung mit der pervertierten islamischen Ideologie entstanden sind. Saudi-Arabien modernisiert sich, aber die politisierte wahhabitisch-salafistische Sektenideologie erklärt nicht nur den modernen sunnitischen Muslimen, sondern auch allen alevitischen Bektaschi-MuslimInnen den Krieg.
Moderne MuslimeInnen leiden seit Jahren auch in Österreich unter dem leider vom Westen unterstützten politisierten Glaubens- und Vahabismus des Salafismus unter dem Vorwand des Islam. Dahinter stehen verschiedene Kräfte. Eigentlich bekannte Kräfte, die gegen Russland ab 1950 wegen des Kalten Krieges besonders USA, England und die anderen NATO Staaten die islamischen Länder missbrauchten und eine islamistische fundamentalistische politisierte grüne Linie beginnend Iran, Türkei und den Rest in dieser Region zu politischen Islam Regierungen als Antikommunisten unterstützten bzw. installierten, damit Russland nicht die Ruhe bekommt. Es ist ein Bumerang geworden. Wir sind keine Sympathisanten Russlands, aber die Wahrheit muss gesagt werden.
Besonders die türkische laizistische Republik war ein Dorn in Auge, der Vorbild für die anderen mehrheitlich muslimischen BürgerInnen des ab 1923 gegründeten Staates war. Schauen Sie sich die Bilder ab 1923 der BürgerInnen bis 1980 in der Türkei und den Nachbarregionen wie Iran, Syrien, Ägypten, Afghanistan, sogar Pakistan bis Tunesien und Libyen an. Die laizistische Republik Atatürks und die neuen modernen BürgerInnen als türkische MuslimInnen waren Vorbilder für diese Länder. Man wollte das zerstören und dafür hat man den Salefismus und Vahabimus neben Öl in diese Länder importiert plus Ihvanitischen politisierten Islam in die Türkei und andere oben genannte Länder importiert.
Auch Deutschland hat hier viele Fehler gemacht, wo Sie ein Zufluchtsland für alle fundamentalistischen und politischen Islamanhänger Parteien waren, die in Deutschland als Vereine gegründet und unterstützt und geduldet wurden. Sogar ein Kaplan-Khalifatstaat gegen die moderne Türkei ab 1990 wurde in Köln von Deutschland geduldet. Deutschland ist aufgewacht, aber zu spät. Man hat die Türkei als EU-Nachbarn in ein Afghanistan-Pakistan-Iran-Syrien-Mischland gedrängt.
Trotzdem wird die moderne Türkei gegen die Fundamentalisten aus der Asche auferstehen. Das hat Atatürk geschwächt. Die Mehrheit der Türkei mit ihren 85 Millionen BürgerInnen erwacht. Sie wollen mehr Laizismus und Säkularismus und keinen Missbrauch der Religion. Die Ursachen sind bekannt, die Folgen bis heute spürbar.
Aber in Österreich? Schwer. Die kulturelle Interaktion und Migration dieser Menschen aus der österreichisch-ungarischen Monarchie in die Balkanregion, vor allem während der Balkankriege und den traurigen serbischen Massakern an Bosniern und AlbanerInnen am Balkan, hat die Macht Saudi-Arabiens in diesen Regionen mit Geld und salafistischen Kämpfern gestärkt.
In Österreich hat die Islamische Gesellschaft Österreich (IGGÖ) im Gegensatz zu Deutschland und der Schweiz alle sunnitischen Moscheen und Organisationen unter ihrem Dach vereint und ist de jure sogar Staat im Staate, während diese salafistischen und wahhabitischen Organisationen über den Balkan österreichische Moscheevereine gegründet haben und die IGGÖ leider ausnutzen und erfolgreich versuchen, in Österreich geborene Muslime, insbesondere bosnische und mazedonische Muslime, zu salafisieren salafisieren seit Jahren in Hardcor. Mit politisiertem Glauben. Das kann nicht gut gehen. Wir sehen die vielfältigen kausalen Zusammenhänge.
Darüber hinaus missbrauchen vor allem in Deutschland zum Islam und zur wahabitisch-salafistischen Sekte konvertierte Personen deutscher Herkunft die deutsche Demokratie und missbrauchen die pluralistische demokratische und säkulare deutsche Republik und ihre Gesetze, vor allem auf Tiktok, Youtube und Instagram, indem sie die Köpfe der muslimischen Jugend mit der wahabitischen und salafistischen Brille waschen. Nicht nur balkanische Muslime, sondern auch alawitische Jugendliche in Österreich haben sich nach 2015 in afghanischen und anderen salafistischen Moscheen wahhabitischen und salafistischen Bewegungen angeschlossen. Österreich und Deutschland haben es versäumt, sich diesem Problem zu stellen und demokratische Antworten auf diese Strömungen zu finden, ohne sie auf alle Muslime zu verallgemeinern.
Die Türkische Kulturgemeinde in Österreich (TKG) als Think Tank warnt seit 25 Jahren in Österreich. Scheinheiligkeit ist die Sprache der verantwortungslosen, halbwissenden, scharlatanistischen und korrupten PolitikerInnen. Unter dem Vorwand des Dialogs und der Solidarität haben sie vor allem die modernen säkularen MuslimInnen, die in Österreich die Mehrheit bilden, ins Feuer geschickt.
Heute müssen in Österreich, wo ca. 900.000 MuslimeInnen leben, die modernen Menschen aus der Türkei als erste gewinnen. Sie wissen, was Laizismus und Trennung und Religion seit 100 Jahren ist, und sie leiden am meisten darunter. Dann kommen die anderen.
Nicht verallgemeinern, sondern die Spreu vom Weizen trennen. Auch die Rechte hat bisher Fehler gemacht, indem sie eine Weltreligion, den Islam, pauschal verteufelt hat und immer noch verteufelt. Die ÖVP ist am Ende. Kein Patriot, der sein Land liebt, macht so etwas, wenn das Gegenteil herauskommt. Wir verlieren die säkularen Muslime. Die Erfahrung spricht. Wir verteidigen nicht den Islam, wir sind Realisten mit Erfahrung und Wissen.
Also mit dieser allgemeinen Satanisierung kann man Wahlen gewinnen. Wir müssen Sie warnen: Sie können vielleicht die Wahlen in Ihrem Land gewinnen, aber Sie können nicht “wirklich fähig sein, dieses Problem zu lösen. Siehe die Türkei. Man wird kein Problemlöser, sondern ein Problemerzeuger“. ( Türkische Allgemeine, 05.09.2024)