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Güngörs Fehldiagnose im “Standard.at“: “Die ewigen Türkeistämmigen“ in Österreich gegen “Das ewige Rassistenland Österreich“

von  Birol Kilic

Replik und Antithesen zu einem bedenklichen Gastkommentar von Kenan Güngör als Expertenrat der Bundesregierung der Republik Österreich für Integration im Standard.at vom 29.08.2023. 

Der Versuch, einer pauschal vorverurteilenden und abwertenden Überschrift im Standard vom 29.08.2023  mit dem belastenden Foto „Türkeistämmige in Österreich – die etablierten Außenseiter. Schon lange hier – und doch fremd geblieben.Das liegt auch, aber nicht nur an gesellschaftlicher Ausgrenzung“ von Herrn Kenan Güngör  ist als Expertenrat der Bundesregierung der Republik Österreich für Integration ist nicht nur bedenklich, sondern leider auch mit “Kulturalismus” (Neorassismus, Rassismus ohne Rassen) und vor allem mit Verantwortungslosigkeit behaftet.

Eine solche herablassende, domptierende, schikanierende und pauschalisierende Schein und Fern Diagnosen bzw. Behauptung “per Überschrift und Bild” im Standard.at ist sehr gefährlich und gereicht Kenan Güngör nicht zur Ehre, sondern schadet den Integrationsbemühungen in Österreich in beide Richtungen.

Warum wird keine Quelle angegeben und vor allem warum wird verzerrt?

Güngör verwendet ohne Quellenangabe den Begriff “Etablierte und Außenseiter“ (unter EngländerInnen geführt) aus der Studie von Norbert Elias (1897-1990), der vor den Nationalsozialisten aus Deutschland nach England floh, in falschem Kontext, an falscher Stelle und verzerrt, um heute die sehr zahlreichen, vielfältigen und in allen Lebensbereichen präsenten “ca. 400.000 Menschen Türkeistämmigen Menschen  in Österreich”  pauschal als de facto nicht integrierbare Menschen abzuwerten bzw. mit falschen Diagnosen zu versehen, nämlich als „die ewigen “Türkeistämmigen“ und Ratschläge zu geben, nach denen er alle “Türkeistämmigen” mit Überschrift und Bild zu de facto nicht integrierbaren, etablierten Außenseitern erklärt hat. Wir nennen diese Methode: “Erst verteufeln, dann die Anti-Dämonen-Pille anbieten” und finden das gar nicht so lustig.

Die Türkeistämmigen in Österreich die aus der Türkei Zugewanderten (auf Einladung der WKO Österreich und des Bundesministeriums ab 1960) sind heute keine Außenseiter, und bilden keine „Etablierten-Außenseiter-Figuration“.

“Etablierte und Außenseiter” -Norbert Elias Studie 1958-161

Ausgangspunkt der Studie von Norbert Elias (Untersuchungszeitraum: 1958-1961) war die Beobachtung, dass sich die etablierten EngländerInnen in England (Güngörs vergleicht ÖsterreicherInnen) von den neuen MitbewohnerInnen, also den Engländern (er vergleicht hier die Neuankömmlinge als Türkischstämmige in Österreich) distanzierten und sich nicht auf private Kontakte mit den „Neuen“ einließen und es   kam es zu einer massiven Stigmatisierung der Neuankömmlinge.

Stattdessen kam es zu einer massiven Stigmatisierung der Neuankömmlinge. Ein türkisches Sprichwort sagt: “Sitze krumm und spreche gerade und die Wahrheit”. Das kann man für Österreich und gegen ÖsterreicherInnen nicht behaupten und ist ungerecht. Im Gegenteil, viele ältere türkischstämmige Menschen erinnern sich trotz vieler Schwierigkeiten und Trümmer an ein mehr menschliches und freundliches Österreich. Insbesondere gegenüber Türkeistämmigen ( Waffenbruderschaft 1914-1918, Aufbau der modernen Atatürk-Türkei ab 1923 wo tausende ÖsterreicherInnen und UngarnInnen in Türkei bis 1960 GastarbeiterInnen bzw. Fachkräfte ). ÖsterreicherInnen haben in der Türkei ein sehr gutes Image, weil sie als GastarbeiterInnen , WissenschaftlerInnen, Künstler und Fachkräfte in allen Bereichen die moderne säkulare Republik mit aufgebaut haben, wofür wir bis heute dankbar sind.

Die Türkeistämmigen in Österreich die aus der Türkei Zugewanderten (auf Einladung der WKO Österreich und des Bundesministeriums ab 1960) sind heute keine Außenseiter, und bilden keine „Etablierten-Außenseiter-Figuration“.

Einzig normale Lebensform zu verabsolutieren (Kulturalismus, Neorassismus)

Und gerade deswegen halten den Artikel  für sehr bedenklich, weil hier versucht wird, bestimmte Lebensgewohnheiten, Sitten und Gebräuche einer bestimmten Gruppe von Menschen („den Türkeistämmigen“) sozusagen als einzig normale Lebensform zu verabsolutieren (Kulturalismus, Neorassismus) und „den Türkeistämmigen“ pauschal als selbstverständlich zuzuschreiben.

Dabei sind die Türkeistämmige in Österreich bunt, vielfältig und etabliert und keineswegs Außenseiterinnen und Außenseiter oder ewig Fremde geblieben, sondern überall in Österreich in allen Berufen und Lebensbereichen und in allen sozialen Klassen und Schichten präsent.

Die Zuschreibung Güngörs mit Überschrift und Foto dient in Wahrheit der bereits erwähnten Ausgrenzung “der Türkeistämmigen” in Österreich. Mit der altbekannten Stammtischmethode „das wird man ja wohl noch sagen dürfen“ wird die Stimmung angeheizt und dient noch mehr der Abgrenzung, dem Hass, der Etikettierung und der Legitimation “erst jetzt bzw. ab jetzt” von der Aufnahmegesellschaft nicht normal behandelt zu werden und dient den Rechtsextremen bzw. anderen Kräften unter dem Vorwand verschiedener Parteien aber einem Hass und Vorurteilen in vielen Lebensbereichen in Österreich und der EU gegenüber Türkeistämmige in Österreich bzw. in Europa haben.

Führte leider zu “Verhetzungen“ gegenüber Türkeistämmigen in Österreich

Auch in einigen anderen Foren (Social Media etc.) hat der Gastkommentar des Standard zu tausenden Beschimpfungen, Verachtung bzw. „Verhetzungen“ gegen Türkeistämmige Menschen in Österreich geführt (leider zu viele Belege), die in ihrer Menschenwürde verletzt werden. Auf diese Art und Weise wurde gegen die Türkeistämmigen Menschen in Österreich gehetzt und Hass geschürt. Diese Verantwortungslosigkeit kann nicht das Integrationsrezept für „die Türkeistämmigen Menschen“ in Österreich sein. Wir lehnen solche pauschalen, satanisierenden Rezepte und Diagnosen ab und erheben Einspruch.

Das Bild im Standard.at sagt mehr als tausend Worte, verfestigt Vorurteile über alle „Türkeistämmigen in Österreich“ als „die ewigen Türkeistämmigen bzw. Türken“. Für uns ist das Bild „mit der herabwürdigenden Hand“ und die Schlagzeile auch eine Beleidigung der Österreicherinnen und Österreicher und der Republik Österreich, weil es zeigt, wie rassistisch die Österreicherinnen und Österreicher und das Land Österreich seien, die hier in Österreich eine Gruppe von Menschen, von denen mehrere bereits österreichische StaatsbürgerInnen sind, aus dem gleichen Land aufgrund ihrer Religion, Rasse, Sprache, Abstammung und Kultur systematisch und ewig als Außenseiter in Österreich diskriminieren? Stimmt nicht.

Zum freien Shitstorm zur Verfügung gestellt!

Hier wird durch den Standard.at  ein “Türkeistammiges Bild in Österreich in Beton gegossen”, die für uns Türkeistämmige herabwürdigend ist, uns verächtlich macht und uns in der österreichischen Gesellschaft pauschal wegen unserem “Stamm” (Türkeistämmig -siehe Überschrift und Foto) herabsetzt. Die Türkeistämmigen fühlen sich durch den Standard.at Gastkommentar als ein Mitglied einer Gruppe, nämlich Türkeistämmige, ausdrücklich wegen der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe gerichteter Überschrift und Bild schikaniert und zum Hass in Öffentlichkeit aufgestachelt bzw. zum freien Shitstorm zur Verfügung gestellt.

Die Fallstricke des Kulturalismus

Mit Kritik können wir umgehen, denn Kritik ist notwendig, um aus Fehlern zu lernen. Wenn aber, wie hier im Standard, von “ abwertendem, pauschalisierendem Kulturalismus” die Rede ist, müssen wir gleich betonen, dass wir in Österreich auch ExpertInnen darin geworden sind, diesen oder solchen sofort an einigen verräterischen Zügen und Tücken des Kulturalismus zu erkennen. Vor allem dort, wo mehr als tausend Menschen im Standard unter dem Gastkommentar von Güngör eine Minderheitengruppe in Österreich an den Haaren herbeiziehen, als wäre man Herr oder Dompteur über die anderen Knechte in Österreich, weil es vom Standard.at unter dem Vorwand “Gastkommentar” die Türkeistämmige in Österreich “frei zum Schuss” gegeben wurde.

Eine solche herablassende, domptierende, schikanierende und pauschalisierende Schein und Fern Diagnosen bzw. Behauptung “per Überschrift und Bild” im Standard.at ist sehr gefährlich und gereicht Kenan Güngör nicht zur Ehre, sondern schadet den Integrationsbemühungen in Österreich in beide Richtungen.

Statt Pauschalisierung aller Türkischstämmigen bitte namentliche Kritik

Wir kritisieren namentlich jene reaktionären  faschistisch-fundamentalistischen bzw. radikalen Gruppierungen aus der Türkei, die unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit und der Solidarität die säkulare freiheitlich-demokratische Grundordnung in Österreich missbrauchen. Seit Jahren, sehr laut und sehr deutlich.Trotz Drohungen. Wir machen weiter.  Deswegen sind Pauschalisierungen wie “Türkischstämmige in Österreich” sehr gefährlich. Hier eine reaktionäre Gruppe, Partei oder diktatorische PolitikerInnen aus der Türkei mit der Pauschalisierung „alle Türkischstämmigen in Österreich“ unter dem Deckmantel „als Integrationsexperte“ und Berater des österreichischen Bundesministeriums und der Stadt Wien bezüglich Integration zu stigmatisieren, ehrt niemanden.

Wir sollten die Menschen aus der Türkei in Österreich ermutigen und nicht
nicht in den Selbsthass treiben

Wir sollten die Menschen ermutigen und nicht unter dem Deckmantel des Integrationsexperten und Beraters „Integrationsminister der Republik Österreich bzw. der Stadt Wien“ verteufeln und versuchen, sie in den Selbsthass zu treiben. Das wird niemanden gelingen, außer die guten Integrationsmaßnahmen der Republik und insbesondere der Stadt Wien zu stören.

Es kann auch kein Masterplan des Staates Österreich oder der Stadt Wien sein. Wir sind vom Gegenteil überzeugt. Es gibt genug Bösewichte. Aber auch die wollen wir überzeugen, dass das nicht der richtige Weg für Österreich ist. Integration durch Wirtschaft, österreichische Kultur und Sprache bzw. Heimat Österreich ist sehr schön und wir wollen ein Teil dieser schönen Gesellschaft unter der rot-weiß-roten Fahne sein. Durch Leistung in allen Lebensbereichen. Wir müssen uns anstrengen. Der gute Wille zählt.

Deshalb nennen Sie die Problemgruppen beim Namen. Das tun wir. Seit Jahren. Dementsprechend haben „die Türkischstämmigen“ in Österreich nach dem Gastkommentar von Kenan Güngör im Standard aus unserer Sicht nichts gelernt außer professioneller Verachtung und Dämonisierung.

Die Türkeistämmigen Menschen sind kein Selbstbedienungsladen

Wir appellieren an alle Türkeistämmigen Menschen in Österreich, wenn schon nicht bisher, dann ab sofort noch vorsichtiger, zurückhaltender, kritischer zu sein und ihre demokratischen Rechte lauter einzufordern, denn wir sehen hier bei manchen keinen guten Willen. Dazu bedarf es definitiv keiner Hilfe oder Kooperation aus dem Ausland, von welcher Seite auch immer, sondern es genügt die österreichische Verfassung als wehrhafter Demokrat zu verinnerlichen bzw. zu verteidigen.

Entschuldigung in aller Freundschaft, aber die Türkeichstämmigen Menschen sind kein Selbstbedienungsladen oder „Rattenversuchslabor“ von Politik, IntegrationsexpertInnen, IslamwissenschaftlerInnen und Medien, wo eine solche heuchlerische Hetze pauschal aufgrund ihrer Abstammung oder Geschichte nicht überall, aber immer wieder je nach Lust und Laune (Hass aus manisch-depressiver Psychose) oder Bedarf (Win-Win) stattfindet, wie wir es leider seit Jahren beobachten


Türkeistämmige in der Mitte der österreichischen Gesellschaft

Nicht 350.000, sondern mittlerweile 400.000 TürkInnen bis zur fünften Generation leben seit 1960 in Österreich. Die meisten von ihnen sind bereits ÖsterreicherInnen, ebenso bunt und vielfältig in allen Lebensbereichen integriert. Viele von ihnen sind Fachkräfte oder in Ausbildung. Es gibt 20.000 UnternehmerInnen und viele Holdings, die von TürkInnen gegründet wurden und insgesamt über 120.000 Menschen beschäftigen… Von Ikea bis Mediamarkt, die CEOs in Österreich sind “Türkeistämmige”.  Einige haben es über Österreich als Türkeistämmige sogar bis zum (mittlerweile ehemaligen) Global CEO von Coca Cola in Atlanta USA oder Western Union Denver USA geschafft.  In Österreich gibt es eine große Zahl von Fachkräften mit “Türkeistämmigen” in Ausbildung.

Es gibt über 4.000 türkischstämmige Studierende, über 5.000 türkischstämmige ÄrztInnen und Pflegekräfte in ganz Österreich, die Österreicherinnen und Österreicher behandeln und pflegen und alle sehr gut Deutsch sprechen oder einen österreichischen Dialekt beherrschen. Ebenso gibt es tausende Ingenieurinnen und Ingenieure, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte bis hin zu Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Künstlerinnen und Künstlern, die die gleichen freiheitlich-demokratischen, säkularen, vielfältigen und liberalen Werte vertreten wie alle anderen in Österreich. Güngörs Felddiagnose „Die ewig Türkeistämmigen“ versus „Das ewig rassistische Österreich“ sollte in Zukunft bitte vermieden werden.

 

Nach dieser “Sachverhaltsdarstellung” erwarten wir mindestens

Wir erwarten von Herrn Güngör als “Mitglied des Expertenrats der Bundesregierung für Integration” (ÖVP-Minister), “Integrationsexperte” und “Mitglied des Integrationsbeirats der Stadt Wien” (NEOS-Stadtrat für Integration), dass er sich von solchen Pauschalisierungen gegen Türkeistämmige in Österreich jetzt und in Zukunft distanziert.

Die Gründe sind oben in der “Sachverhaltsdarstellung“ kurz dargestellt. Es folgt die Langfassung, bestehend aus Geschichte, Bildern, Fakten und Vergleichen, die wir am Ende eventuell mit einem kritischen Essay als Buch herausgeben werden, so wie wir das Essaybuch: “Einspruch gegen Fakehistory” herausgegeben haben.

Das Thema “Türkeistämmige in Österreich” ist sehr heikel, sensibel, missbrauchsanfällig und kann von böswilligen Personen und Kräften aus verschiedenen Kanälen, aus dem Ausland, aus der Türkei und aus Österreich missbraucht werden, was kein Glück bringen wird.

Das sehen und spüren wir aus unserer großen Erfahrung und Übersicht. Deshalb müssen wir jetzt auf der Stelle und heute für die freiheitlich demokratische Grundordnung als wehrhafte DemokratInnen mit unseren kleinen Mitteln versuchen aufzuklären und zu warnen.

Österreich bietet sehr viel
Die nette Aussage am Ende des Güngör-Artikels kann uns nach dieser schikanösen Überschrift und Fehldiagnose nicht beruhigen: “Es gibt viel Luft nach oben, wir sind nicht im Stau, wir sind der Stau”. Was für einen Stau bitte, Herr Güngör? Österreich bietet den MigrantInnen sehr viel, wofür die Türkeistämmigen dankbar sind und dafür bisher sehr viel gearbeitet, aufgebaut und geleistet haben. Die Mehrheit der ÖsterreicherInnen ist auch nicht Teil irgendeines Staus, nicht rassistisch und pauschal diskriminierend gegenüber Türkeistämmigen und andere MigrantInnen. Wir können an dieser Stelle nur eines schreiben und sagen: Danke Österreich. Es gibt Probleme. Wir werden sie gemeinsam lösen, indem wir gemeinsam die Spreu vom Weizen trennen und bitte nicht pauschalisieren.

 

Links und Quellen:

Türkeistämmige in Österreich – die etablierten Außenseiter
Schon lange hier – und doch fremd geblieben. Das liegt auch, aber nicht nur an gesellschaftlicher Ausgrenzung
https://www.derstandard.at/story/3000000184653/die-etablierten-au223enseiter

Einspruch: “Erdogan hat den TürkInnen Selbstwertgefühl gegeben.”

Einspruch: “Erdogan hat den TürkInnen Selbstwertgefühl gegeben.”

 

Birol Kilic

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