Von Tosun Saral, Türkische Allgemeine
Bereits vor der Ausrufung der Republik Türkei tauchte der Begriff “Republik Türkei” in verschiedenen österreichischen und ungarischen Zeitungen auf.
Ein armenischer Student und Bürger des Osmanischen Reiches, der in Genf in der Schweiz studierte, gab 1902 eine türkische Zeitung mit dem Titel “La Federation Ottomane” heraus. Er schickte die Zeitung an alle europäischen Regierungen. Mit der Zeit gewann die Zeitung viele Leser in der Türkei. Ziel der Zeitung war es, das bestehende osmanische Sultanat zu stürzen und eine Republik zu errichten, die alle Völker, die Untertanen des Staates waren, also Türken, Albaner, Mazedonier, Griechen und Armenier, vereinte[1]. Innsbrucker Nachrichten, 28.11.1902,S.2
Am 13. April 1909 (31. März 1325) wurde der reaktionäre und religiöse Aufstand in Istanbul von den aus Thessaloniki kommenden Truppen der Bewegungsarmee niedergeschlagen und Ruhe und Frieden in der Stadt wiederhergestellt. Über dieses Ereignis wurde tagelang in allen europäischen und österreichisch-ungarischen Zeitungen ausführlich berichtet.
Eine Meldung aus Saloniki erschien am 17. April 1909 in österreichischen Zeitungen. Darin hieß es: “In Mazedonien wurden Flugblätter für die Entthronung des Sultans und die Gründung der türkischen Republik verteilt. In den Flugblättern wurde mitgeteilt, dass die provisorische Hauptstadt der Republik Thessaloniki sein werde. Es ist jedoch zweifelhaft, ob diese Aufregung von den Jungtürken ausging. Es wird auch gemunkelt, dass die Jungtürken beabsichtigen, den Thronfolger Prinz Reshat Efendi zum Sultan zu ernennen.”[2] Mährisches Tagblatt, 17.4.1909,S.5, Das interessante Blatt, 22.4.1909,S.11
İzmir war noch nicht von den Griechen besetzt und Mustafa Kemal Pascha noch nicht zum Inspekteur der 9. Division ernannt worden.Auf einer Pressekonferenz am 4. Mai 1919 in Philadelphia äußerte Abraham Elkus, ehemaliger Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika in der Türkei[3], seine Überzeugung, dass “die Türkei sich nur als Republik konsolidieren kann” und sagte, dass “eine Föderation aller kleinen Staaten in den ehemaligen Gebieten Kleinasiens und die Unabhängigkeit Syriens und Armeniens das Beste wäre, während die Angelegenheiten Südosteuropas vorläufig von einer internationalen Regierung verwaltet werden sollten”[4]. Abram Isaac Elkus (6. August 1867 – 15. Oktober 1947) diente vom 2. Oktober 1916 bis zum 20. April 1917; jüdischer Staatsmann und Jurist. Pester Lloyd, 6.5.1919, S.6, Eine türkische Republik?
Der große Sieg war errungen, die griechische Invasionsarmee bei Izmir ins Meer geworfen. Österreichische und ungarische Zeitungen bringen Meldungen mit Titeln wie “Eine türkische Republik?”, “Die türkische Republik”, “Republik Türkei”: “Die Nationalversammlung in Ankara erklärt den Sultan für abgesetzt. Wahrscheinlich wird Konstantinopel nicht mehr Hauptstadt bleiben, sondern durch Izmir ersetzt werden. Auch die Proklamation der türkischen Republik wird für wahrscheinlich gehalten.”[5] Pester Lloyd, 6.5.1919, S.6, Eine türkische Republik?
Die “Chicago Tribune” berichtete aus Istanbul, dass die Nationalversammlung in Ankara den Sultan für abgesetzt erklärt habe. Kâzım Karabekir Pascha wurde zum Gouverneur von Istanbul ernannt,[6] behielt sich die Wahl eines Staatsoberhauptes ohne dynastische Rechte vor, proklamierte die Souveränität des Volkes und ersetzte den Titel “Osmanisches Reich” durch “Türkischer Staat”[7]. Das Sultanat wurde am 1. November 1922 aufgelöst. Nicht Karabekir Pascha, sondern Refet Pascha wurde zum Gouverneur ernannt. Murtaler Zeitung, 4.11.1922,S.1, Die Türkei- Republik.
“Die italienische Nachrichtenagentur “Messaggero” berichtete am 29. September 1923 aus Ankara: “Die Abgeordneten diskutieren weiter über die Regierungsform. Die Beratungen sind abgeschlossen, aber die Proklamation der türkischen Republik steht angeblich im Vordergrund der Verhandlungen.”[8] Allgemeiner Tiroler Anzeiger, 2.10.1923, Eine türkische Republik?
“Nach der neuen Verfassung wird die Türkei eine Republik sein, an deren Spitze ein auf vier oder sechs Jahre gewählter Präsident steht. Die Große Nationalversammlung wird nur gesetzgebende, die Regierung nur vollziehende Gewalt haben. Ein Staatsrat, dessen Mitglieder vom Präsidenten ernannt werden, wird die Aufgaben des Senats wahrnehmen.”[9] Die Stunde, 6.10.1923, S.2, Die Republik Türkei (Die Republik Türkei)
“Es ist Abend auf dem monarchischen Ödland: Kaiser und Könige, Zaren, Fürsten und Sultane sind seit dem Weltkrieg bis ins Mark erschüttert, und die Nachkriegszeit bringt ihr Ende. Europa, der Kontinent der Könige, der geborenen Adligen, der geborenen Fürsten, nimmt Abschied von seinen Throninhabern, einer nach dem anderen, wie es der Lauf der Zeit und der Wille der Völker verlangen. Die Völker Europas werden volljährig. Sie werden mündig in den untauglichsten, rückständigsten, jahrhundertealten Aberglauben. Waren noch vor zehn Jahren die Schweiz und Frankreich die beiden einzigen Kandidaten im monarchischen Meer Europas, so hat sich die Lage heute geändert. Während England, Italien, Spanien, die Niederlande, Schweden, Jugoslawien, Rumänien und Bulgarien noch Überbleibsel des goldenen Zeitalters und des göttlichen Willens sind, gesellen sich zu Frankreich und der Schweiz nun Grossdeutschland, Österreich, die Tschechoslowakei, Polen und Russland als Republiken und die Türkei als jüngste Republik. Was bedeutet diese Verfassungsentwicklung in der Realität für das Gejammer der schwarz-gelben[10], wittelsbachischen[11] oder hohenzollernschen[12] Fanatiker? Auch mit den Handgranaten und Maschinengewehren der Orgesch[13] und der Hakenkreuzler ist an die Zeiten der Monarchen nicht mehr zu denken. Ob die Monarchisten sich nun über die Unterstützung der Christlichsozialen freuen oder ob die Wahl vom 21. Oktober ihre beste Hoffnung ist, die Zeit der Habsburger ist definitiv vorbei, und der Wahltag wird es bestätigen. [11] Deutsche Dynastie, die Bayern, die Pfalz, die Niederlande und Seeland, Schweden (zusammen mit Dänemark und Norwegen), Ungarn (zusammen mit Rumänien), Böhmen, das Kurfürstentum Köln, Griechenland und mehrere Fürstbistümer regierte. [12] Österreichische Dynastie. [13] Von dem deutschen Major Dr. Georg Escherich gegründete Milizeinheit. Sie wird Organisation Escherich sw genannt.
Vor einigen Tagen sagte Mustafa Kemal, der Schöpfer der neuen Türkei, zu einem Journalisten: “Ich möchte Ihnen den ersten Paragraphen der neuen türkischen Verfassung wiederholen. Er lautet “Die Souveränität ist das absolute und ausschließliche Eigentum des Volkes.[14] Alle Staatsgewalt wird ausschließlich und bedingungslos vom Volk selbst ausgeübt.” Diese drei Sätze, deren Bedeutungen und Interpretationen kurz und einfach sind, lassen sich in einem Wort zusammenfassen. Sie sind klare und eindeutige Definitionen der Republik.
Der Entwicklungsprozess der neuen Türkei ist noch nicht zu Ende. Die Entwicklung der türkischen Nachkriegsverfassung kann noch nicht als abgeschlossen betrachtet werden. Sie muss zu Ende geführt werden, Änderungen, Korrekturen und Verbesserungen sind notwendig. Die endgültige Vollendung des Begonnenen steht noch aus. In Kürze wird die Türkei eine Republik sein. Das Parlament wird sich bald mit den entsprechenden Vorschlägen der Regierung zu befassen haben. Alle Tendenzen, alle Bemühungen dieser Vorschläge werden auf diese Vollendung, auf diese endgültige Entwicklung gerichtet sein. Wie die verschiedenen Republiken Europas und Amerikas trotz ihrer einheitlichen Grundprinzipien in ihrer äußeren Form sehr weit voneinander entfernt zu sein scheinen, so unterscheidet sich auch die Türkei heute nur in gewissen äußeren Linien von den anderen Republiken, ohne in ihrem wahren Wesen von ihnen abzuweichen. Wie alle anderen republikanischen Staaten haben wir ein souveränes Parlament, aber neben den legislativen Befugnissen der Nationalversammlung haben wir auch exekutive Befugnisse. Wie anderswo sind auch bei uns alle Minister persönlich verantwortlich für alle Angelegenheiten des Staates, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen. Es ist eine weit verbreitete Ansicht, dass die Minister des neuen türkischen Staates nur machtlose Instrumente in den Händen der Nationalversammlung sind. Alle rechtlichen Mängel werden durch eine baldige Verbesserung unserer Verfassung ausgeglichen werden.
Nachdem der Präsident der Großen Türkischen Nationalversammlung das türkische Regierungssystem und das anderer bekannter großer Regierungssysteme gründlich studiert hatte, kam er zu einer neuen Schlussfolgerung: Die Änderungen, die an der türkischen Verfassung vorgenommen werden müssen, sind nur die abschließende Vervollkommnung des begonnenen Werkes und entsprechen dem bereits bestehenden Wesen des neuen türkischen Staates, der Republik Türkei, und geben ihm nur seine äußere Form. Er fasste seine Ausführungen wie folgt zusammen: “Wir werden eine Republik mit einem Präsidenten, einem Regierungschef und verantwortlichen Ministern sein, und meine Antwort auf die Frage, wo die Hauptstadt der neuen Türkei sein wird, lautet wie folgt: Ankara ist die Hauptstadt der Republik Türkei!”[15] Arbeiterwille, 3.10.1923, S.3, Die Republik Türkei.
Nach dem ungarischen Hung. Tel.-Korr. vom 5. Oktober 1923 soll “der Ausschuss der Volkspartei beschlossen haben, vorzuschlagen, dass der offizielle Name der Türkei “Republik Türkei” und Ankara die Hauptstadt des Staates sein soll”[16]. Pester Lloyd, 6.10.1923,S.13 “Türkische Republik”, (Republik Türkei)
Havas, die erste Nachrichtenagentur der Welt, die im August 1832 in Paris von Charles-Louis Havas (1783-1858), einem ehemaligen Teilhaber der Zeitung La Gazette de France, gegründet worden war, berichtete am 4. Oktober 1923 aus Ankara: “Auf der Grundlage der neuen Verfassung wird die Türkei eine Republik sein, regiert von einem Präsidenten, der für vier oder sechs Jahre gewählt wird. Die Große Nationalversammlung wird nur die gesetzgebende, die Regierung die vollziehende Gewalt haben. Die Aufgaben des Senats übernimmt der Staatsrat, dessen Mitglieder vom Präsidenten ernannt werden”[17] (Linzer) Tages-Post, 6.10.1923, S.6, Die türkische Republik, (The Republic of Turkey).
In einem weiteren Havas-Bericht aus Ankara vom 5. Oktober 1923 heißt es: “Es wird berichtet, dass der Ausschuss der Volkspartei beschlossen habe, vorzuschlagen, dass der offizielle Name der Türkei “Republik Türkei” lauten und Ankara zur Hauptstadt des Staates gemacht werden solle.” [18] Tagblatt, 9.10.1923, S.6, Die türkische Republik, (Die Republik Türkei)
Am 29. Oktober 1923 meldete die Nachrichtenagentur Havas in einer Eilmeldung aus Ankara die Ausrufung der türkischen Republik: “Die Nationalversammlung hat mit Stimmenmehrheit die Republik proklamiert und Mustafa Kemal Pascha zum Präsidenten gewählt” [19] Wiener Zeitung, 30.10.1923, S.4, Wie die türkische Republik proklamiert wurde, Vorarlberger Landes-Zeitung und Salzburger Chronik für Stadt und Land, 31.10.1923, S.7, Die türkische Republik.
[1] Innsbrucker Nachrichten, 28.11.1902, S.2 [2] Mährisches Tagblatt, 17.4.1909, S.5, Das interessante Blatt, 22.4.1909, S.11 [3] Abram Isaac Elkus (6. August 1867 – 15. Oktober 1947) diente vom 2. Oktober 1916 bis zum 20. April 1917. Jüdischer Staatsmann und Jurist. [4] Pester Lloyd, 6.5.1919, S.6, Eine türkische Republik? [5] Wiener Montags-Journal, 3.11.1922, S.3 [6] Das Sultanat wurde am 1. November 1922 aufgelöst. Nicht Karabekir Pascha, sondern Refet Pascha wurde zum Gouverneur ernannt. [7] Murtaler Zeitung, 4.11.1922,S.1, Die Türkei- Republik. [8] Allgemeiner Tiroler Anzeiger, 2.10.1923, Eine türkische Republik? [9] Die Stunde, 6.10.1923, S.2, Die Türkische Republik. [10] Farben der deutschen Flagge [11] Deutsche Dynastie, die Bayern, die Pfalz, die Niederlande und Seeland, Schweden (zusammen mit Dänemark und Norwegen), Ungarn (zusammen mit Rumänien), Böhmen, das Kurfürstentum Köln, Griechenland und mehrere andere Fürstbistümer regierte. [12] Österreichische Dynastie [13] Vom deutschen Major Dr. Georg Escherich gegründete Milizeinheit. Organisation Escherich sw. [14] “Die Souveränität liegt beim Volk. Die Nation ist die einzige legitime Quelle und Trägerin der Souveränität. [15] Arbeiterwille, 3.10.1923, S.3, Die Republik Türkei. [16] Pester Lloyd, 6.10.1923, S.13 “Türkische Republik”, (Republik Türkei). [17] (Linzer) Tages-Post, 6.10.1923, S.6, Die Türkische Republik, (The Republic of Turkey). [18] Tagblatt, 9.10.1923, S.6, Die Türkische Republik, (Die Republik Türkei) [19] Wiener Zeitung, 30.10.1923, S.4, Wie die türkische Republik proklamiert wurde, Vorarlberger Landes-Zeitung und Salzburger Chronik für Stadt und Land, 31.10.1923, S.7, Die türkische Republik.
