Was sagen die Bilder der lächelnden Staatschefs Macron und Golani in den Medien der EU-Stadt Paris symbolisch aus?
Murat Günes, Klinischer Psychologe, 09.05.2025, Stuttgart
Die systematische Entführung, sexuelle Versklavung und gezielte Verfolgung alevitischer Frauen in Syrien aufgrund ihrer Identität ist nicht nur ein Kriegsverbrechen oder eine Menschenrechtsverletzung, sondern auch eine Kette von Traumatisierungen, die auf individueller und kollektiver Ebene tiefgreifende psychische Zerstörungen hinterlässt.
Sexuelle Gewalt richtet sich nicht nur gegen den Körper der Betroffenen, sondern auch gegen ihre Identität, Würde und menschliche Integrität. Die damit verbundenen intensiven Gefühle von Scham, Schuld, Wertlosigkeit und Verlassenheit erschüttern das Selbstwertgefühl und den grundlegenden Bezug zum Leben. Werden solche Verbrechen auf der Grundlage religiöser, ethnischer oder konfessioneller Zugehörigkeit begangen, entsteht nicht nur eine individuelle, sondern auch eine kollektive Identitätsverletzung, da nicht nur der Einzelne, sondern seine gesamte Gemeinschaft zur Zielscheibe wird.
Diese Ereignisse wirken als psychologischer Auslöser nicht nur für die unmittelbar Betroffenen, sondern für alle Angehörigen derselben Religionsgemeinschaft. Der Gedanke „Das könnte mir auch passieren“ erzeugt ein permanentes Gefühl der Bedrohung und Unsicherheit. Auf individueller Ebene kann dies zu Symptomen wie posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS), generalisierter Angststörung, Depression oder sozialem Rückzug führen, während auf gesellschaftlicher Ebene kollektive Trauer, kulturelles Schweigen und tiefes Misstrauen vorherrschen können.
Das Schweigen der internationalen Akteure oder oberflächliche diplomatische Reaktionen verstärken in der Wahrnehmung der Opfer das Gefühl: „Unser Leiden ist nichts wert“, „Niemand sieht uns“. In der Psychologie wird dies als sekundäre Traumatisierung bezeichnet: Die ursprüngliche Verletzung wird durch fehlende Anerkennung und Unterstützung aus dem Umfeld vertieft. Gerade Bilder von lächelnden Staatschefs in den Medien können symbolisch – wenn auch nicht explizit – als Verleugnung oder Gleichgültigkeit empfunden werden.
Um Traumata zu heilen, braucht es aber nicht nur Gerechtigkeit im juristischen Sinne, sondern auch Anerkennung, Bestätigung und solidarische Unterstützung. Dies geschieht nicht nur durch Gerichte, sondern auch durch gesellschaftliche Zeugenschaft, kollektives Bewusstsein und psychosoziale Begleitung.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Die grausamen Taten, denen alevitische Frauen ausgesetzt waren, sind nicht nur strafrechtlich relevante Verbrechen – sie stellen zugleich eine tiefe Wunde im kollektiven seelischen Gefüge der Menschheit dar. Heilung kann nicht durch Schweigen, sondern nur durch Konfrontation und solidarisches Handeln geschehen. (Murat Günes, Klinischer Psychologe, 09.05.2025, Stuttgart)
Quellen:
Mira, eine junge Alawitin aus Syrien, die vor Wochen vom Regime Joulani entführt wurde, wurde als „Sexsklavin“ an einen Dschihadisten verkauft und gezwungen, ihn zu heiraten und einen Niqab zu tragen. Das ist das Schicksal Dutzender Mädchen aus Minderheiten in Syrien, die jeden Tag im neuen, von der EU unterstützten Syrien entführt werden. Abscheulich!
https://x.com/HadiNasrallah/status/1920558524892950850
Bushra Al Mufarraj, eine Alawitin, wurde in Syrien entführt, als sie ihre Tochter von der Schule abholen wollte. Nachdem Verhandlungen mit den Entführern gescheitert waren, erhielt ihr Ehemann ein Selfie von einer unbekannten Nummer, das deutliche Spuren von Misshandlung aufwies und die Aufforderung enthielt, „sie sei verheiratet und er solle die Suche aufgeben“.
https://x.com/HadiNasrallah/status/1920887190273327241